Über kleine Wunder,

die ich in meinem Beruf als Logopädin immer wieder erleben darf, möchte ich an dieser Stelle berichten.
Eines meiner Wunderkinder ist jetzt 4 Jahre alt. Es wurde mir vor zwei Jahren vorgestellt, weil es sich nur mit wenigen Worten äußerte. Es war ein ängstliches, in sich zurückgezogenes Mädchen, das schmächtig und auch oft erkältet war. Die angeborene Lippen - Kiefer -Gaumenspalte war inzwischen verschlossen, hatte aber die ersten Phasen des Spracherwerbs stark eingeschränkt. Es war wegen der veränderten Luftstrom- und Luftdruckverhältnisse im Rachenbereich kaum möglich, kräftig zu saugen, zu lallen, zu gurren oder durch die Nase zu atmen. Mir wurde wieder einmal klar, wie wichtig diese Aktivitäten des Kindes für dessen sprachliche Entwicklung sind.

 

 

Also holte ich aus meiner Wundertüte immer wieder neue Dinge, mit denen Luftstrom- und Mundmotorikübungen Spaß machen. So gewöhnte sie sich daran, mit der Nase zu atmen und durch den Mund gezielt Luft zu dosieren. Wir spielten z.B. Tischfußball mit Wattebäuschen, bliesen Kerzen aus und Luftballons auf, saugten mit dem Strohhalm nicht nur Limonade, sondern auch Schnipsel an. Daraus wurde dann ein schönes Mosaik. Auch unsere Pustebilder, auf denen man zusehen konnte, wie aus Tuscheklecksen Gras, Sonne, Wolken und Bäume wuchsen, riefen Bewunderung hervor. Am meisten aber gefiel das Tröten, Trillern und Musizieren auf der Triola. Inzwischen sind viele solcher schönen gemeinsamen Stunden vergangen, in denen auch an der Schulung des Gehörs, der Erweiterung des Wortschatzes und der Satzbildung gearbeitet wurde. Vor mir steht nun ein aufgeschlossenes Mädchen, das immer etwas von seinen Erlebnisssen mit den Freunden im Kindergarten zu berichten hat.

 

 

Dann höre ich bewundernd zu und denke daran, womit eigentlich alles begonnen hatte:
Sie hatte gelernt, richtig zu atmen!

 

Deshalb bekam sie nicht mehr die kalte Luft in Mund und Bronchien und war weniger krank.

 

Deshalb konnte sie mit geschlossenem Mund kauen und (es) schmeckte endlich, was sie aß.

 

Deshalb wurde sie kräftiger und hatte Ausdauer zum Spielen, Toben und Lernen.

 

Deshalb konnten wir üben, Laute richtig zu formen und Wörter zu bilden.

 

Deshalb konnte sie sich besser verständigen, intensiver am Leben teilhaben.

 

Deshalb konnte sie nach so einem erlebnisreichen Tag erholsam schlafen und neue Energie sammeln.

 

 

Natürlich konnten diese wunderbaren Dinge nur ihren Lauf nehmen, weil eine enge Zusammenarbeit mit den Erziehern und Eltern bestand. Übungsmöglichkeiten wurden im Kita- und Familienalltag gesucht und gefunden und wir verabredeten außerdem ein “Geheimzeichen“ für den Mundschluss, damit er zur Gewohnheit werden konnte. Interessant war, dass nun auch bei anderen Kindern der Gruppe bemerkt wurde, wie sie oft mit offenem Mund kauten oder spielten. Nur bei einem von ihnen lag es an den vergrößerten Rachenmandeln, die die Nasenatmung erschwerten. Bei allen anderen war es “nur“ eine falsche Angewohnheit. Doch dadurch kann die nicht genutzte Mundmuskulatur erschlaffen und es fehlt der Zunge ihre natürliche Begrenzung durch die geschlossenen Zahnreihen. Bei Lauten, die sonst hinter den Schneidezähnen gebildet werden, sehen wir ständig eine “neugierige“ Zungenspitze. Spätestens im Schulalter finden es aber die meisten Kinder nicht mehr “niedlich“, wenn sie auf ihr Lispeln angesprochen werden. Obwohl es für eine Sprachtherapie nie zu spät ist, ist doch die Vorsorge der einfachere Weg. Sie kann übrigens schon beim Kauf des richtigen Nuckels beginnen.

 

Beitrag für das "Wiesenmagazin" der Familienkita Cottbus

 

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